Forschung in der Praxis
In der Bonn Research Alliance (BORA) spielt der Praxisbezug durch gesellschaftlich relevante Transferleistungen, in Kooperationen mit Partnern aus der Wirtschaft, in Politik- und Unternehmensberatung und in der verantwortungsvollen wissenschaftsbasierten Information der Öffentlichkeit eine große Rolle.
Wissenschaft für die Gesellschaft
Viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Deutschland arbeiten anwendungsorientiert im Auftrag von Staat und Gesellschaft, um Antworten auf große Fragen und Lösungen für zentrale Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Auch grundlagenorientierte Einrichtungen, wie die Institute der Max-Planck-Gesellschaft, leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft.
Ebenso stellen Universitäten im deutschen Wissenschaftssystem, zusätzlich zu Lehre und Forschung, Wissen für das Gemeinwohl zur Verfügung (sog. „Dritte Mission“). Dies kann sowohl „Wissenschaft für die Gesellschaft“ als auch „Wissenschaft mit der Gesellschaft“ sein. Ersterer Modus hat einen Transfermoment von Wissen und Technologie in die Gesellschaft. Letzterer ist vor allem von Dialog und Transdisziplinarität geprägt: In die Definition eines Problems, die Entwicklung eines Forschungsansatzes und die Umsetzung der Lösung sind nicht-akademische Expert*innen mit ihrem Wissen und ihrer Perspektive eingebunden. Gerade im Kontext der Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft spielt diese Art zu forschen eine zunehmende Rolle.
Transfer & Transdisziplinarität
Transfer und Transdisziplinarität können in der wissenschaftlichen Arbeit in unterschiedlicher Weise auftreten. Beispiele für Transfer sind u.a. der Technologietransfer, die Vermarktung eines Forschungsergebnisses oder -produktes und die Patentierung und Ausgründungen (z.B. von Start-ups). Am Nachhaltigkeitscampus Klein-Altendorf der Universität Bonn findet z.B. Transfer in die Region statt. Ein Beispiel hierfür ist die Workbox, ein Demonstrationsprojekt für das Bauen mit Nachwachsenden Rohstoffen. Aber auch Geschäfts- und Politikberatung sowie politische Bildung und Aufklärung der Öffentlichkeit anhand wissenschaftlicher Ergebnisse und Erkenntnisse gehören zum Transfer – im letzteren Fall sind die Übergänge zur Wissenschaftskommunikation gelegentlich fließend. Transdisziplinarität zeichnet aus, dass Disziplinengrenzen überschritten werden – das heißt, disziplinenbasiertes, fundiertes Wissen wird in den Praxisdiskurs oder in eine konkrete Praxis hineingetragen. Interdisziplinarität ist häufig charakteristisch für den Forschungsanteil solcher Projekte.
Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen als Museum
Die Vermittlung der in den Leibniz-Einrichtungen erarbeiteten Erkenntnisse in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bildet einen Schwerpunkt der strategischen Zielsetzungen der Leibniz-Gemeinschaft. Leibniz-Einrichtungen neh men Informationsbedarfe der Gesellschaft auf und bearbeiten aktuelle Fragen. Durch die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an außerakademische Zielgruppen tragen sie wesentlich zur gesellschaftlichen Reflexions- und Innovationsfähigkeit bei. Gesellschaftliche generierte Fragestellungen werden gleichzeitig in Forschungsvorhaben der Leibniz-Institute integriert. In diesem Sinne betreibt das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) als Forschungsmuseum der Leibniz Gemeinschaft artbezogene Biodiversitätsforschung und sichert den Wissensaustausch im Forschungsbereich und in die Öffentlichkeit.
Technologietransfer und Unternehmensberatung
In den Fraunhofer-Instituten entsteht täglich wertvolles technologisches Wissen und Know-how. Seit über 70 Jahren kommt die Fraunhofer-Gesellschaft der Verantwortung nach, dieses Wissen und Know-how erfolgreich durch Beiträge zu neuen Produkten, Dienstleistungen und Verfahren in die Wirtschaft, den öffentlichen Sektor und in die Gesellschaft zu transferieren. Für eine erfolgreiche Technologieverwertung braucht es ein breites und differenziertes Set an Transferwegen, u. a.:
- Industrieprojekte und öffentlich-private Partnerschaften
- Verwertung von Intellectual Property (IP)
- Weiterbildung für die Wirtschaft
- Ausgründungen und Beteiligungen
- Transfer durch Köpfe
- Standardisierung
Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS bietet Unternehmen ein breites Beratungsspektrum und Weiterbildungsangebote in Künstlicher Intelligenz, Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit und Klima an.
Das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE entwickelt Technologien und Prozesse mit dem Ziel, existenzbedrohende Risiken frühzeitig zu erkennen, zu minimieren und beherrschbar zu machen. Die Forschungsleistungen in den Themenfeldern Informationsgewinnung, Entscheidung & Führung; Cyber- & Informationsraum; Aviation & Space; Maritime Systems; Land Systems; Ausbildung & Training erstrecken sich dabei von Studien und Tests bis hin zur Entwicklung von Prototypen.
Neue Technologien, nachhaltige Lösungen, innovative Medikamente: Forschende von Helmholtz kooperieren mit der Industrie, beraten Entscheider*innen, gründen Unternehmen und lizensieren Erfindungen. Das Ziel der Forschung am Deutschen Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen (DZNE) in der Helmholtz-Gemeinschaft ist es, neue Lösungen für die Prävention, Diagnose und Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen zu finden sowie neuartige Versorgungskonzepte für Patienten mit solchen Erkrankungen zu entwickeln. Dazu wird mit akademischen und wirtschaftlichen Partnern kooperiert und/oder Technologien an Unternehmen oder Ausgründungen lizensiert. Das Technology Transfer Office (TTO) hilft bei allen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette, von der Unterstützung von Industriekooperationen über die Verhandlung von Verträgen für Forschungsaktivitäten bis hin zur Kommerzialisierung von Patenten, Forschungsergebnissen, Material und Know-how werden.
Die Max-Planck-Gesellschaft betreibt Grundlagenforschung. Das ist ihre Aufgabe. Am Standort Bonn ist sie mit weltweit führenden Kolleg*innen in Mathematik, Radioastronomie, Neurobiologie des Verhaltens sowie der Erforschung von Gemeinschaftsgütern vertreten. Sie produziert allerdings nicht allein geballtes Wissen, sondern auch eine Menge Patente und praktisch nutzbare Erfindungen; Ideen, die die industrielle Entwicklung voranbringen und die Grundlage für neue Produkte. Seit 1970 unterhält die Max-Planck-Gesellschaft für den Technologietransfer eine eigene Firma, Max-Planck-Innovation (MI).
Das Transfer Center enaCom der Universität Bonn versteht sich als Vermittler, Übersetzer und Katalysator zwischen Wissenschaft und externen Akteur*innen. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht es Forschungsergebnisse zum Nutzen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und Innovationen aus der Forschung in die Wirtschaft und in die Praxis zu tragen. Das Zentrum berät zu Gründungen/ Start-ups, bietet Ideenchecks und Coachings und unterstützt Forschende bei der Beantragung von Patenten und anderen Schutzrechten rund um ihre Erfindungen. Um Forschungsergebnisse in die gesellschaftliche und unternehmerische Praxis zu überführen, bündelt das enaCom Kooperationen mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren. Neben Forschungskooperationen betreut das enaCom Transferprojekte der Universität Bonn auf Ebenen der beruflichen Weiterbildung, des Wissens- und Technologietransfers und des gesellschaftlichen Engagements.
Politikberatung und Aufklärung der Öffentlichkeit
Politikberatung ist eine wichtige Aufgabe im Wissenstransfer, die politische Entscheidungen legitimieren und geplantes politisches Handeln informieren kann. Die Forschung widmet sich hierbei aktuellen politischen Debatten und Themenfeldern und erarbeitet wissenschaftsbasierte Problemanalysen, Lösungsvorschläge und Handlungsmöglichkeiten, die mit politischen Akteuren geteilt werden.
Zur Politikberatung gehört neben der Teilnahme in Beratungsgremien und Beratungskomitees auch die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger*innen durch das Bereitstellen von themenspezifischen Veröffentlichungen, Stellungnahmen und Präsentationen.
Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern leistet durch Politikberatung einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft, z.B. über Beteiligung an Beratungsgremien der Bundesregierung und Konsultationen auf EU-Ebene.
Das Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) vereint angewandte Forschung mit Politikberatung, technischer Beratung, der systematischen Sammlung und Verarbeitung von Daten und geographischen Informationssystemen, Kompetenzentwicklung sowie Aufklärungsarbeit adressiert an die Öffentlichkeit. Das BICC ist in einflussreichen Beratungskommitees zu Frieden- und Konfliktthemen tätig. Es unterstützt zudem politische Entscheidungsträger*innen durch themenspezifische und individuelle Veröffentlichungen (z.B. das Friedensgutachten, das seit 1987 in Kooperation mehrerer Friedensforschungsinstitute herausgebracht wird) sowie durch Datenbanken (z.B. der Global Militarization Index), Präsentationen und Vorträge.
Das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) richtet ein umfassendes wissenschaftsbasiertes Beratungsangebot an nationale und internationale Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der Öffentlichkeit. IDOS berät u.a. das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die europäischen Institutionen, deutsche öffentliche Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit, andere politikgestaltende Institutionen und Netzwerke.
Bonn - Berlin - Brüssel - Welt
Beratung der Bundesregierung
Die Bundesregierung und ihre Minister*innen lassen sich von Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik beraten. Viele Kolleg*innen aus den BORA-Mitgliedsinstitutionen sind in den Beratungsgremien der Bundesregierung aktiv und bringen wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gestaltung Deutschlands ein.
Politikberatung auf EU-Ebene
Die EU-Kommission, ihre Generaldirektion sowie auch das Europäische Parlament setzen vermehrt auf den Rat von Expert*innen in den unterschiedlichen Phasen der Entscheidungsfindung (z. B. durch die Vergabe von Gutachten an Forschungsinstitute und die Mitarbeit von Wissenschaftler*innen in EU-Ausschüssen und Expert Groups). Auch aus Bonn fließt Rat nach Brüssel.
Zusammenarbeit mit der UN
Die Universität Bonn und einige BORA-Mitglieder (IDOS, MPI Collective Goods, UNU-EHS) arbeiten mit UN-Organisationen und zwischenstaatlichen Gremien zusammen an Einschätzungen und Lösungen für die globale Klima- und Biodiversitätskrise.
Praxisorientierung in der Lehre
Der gesellschaftliche Wandel vor dem Hintergrund globaler ökologischer und sozialer Herausforderungen (z. B. Klimawandel und Ungleichheiten innerhalb und zwischen Gesellschaften) führt zu veränderten Anforderungen und Erwartungen an Methoden und Arbeitsweisen in Wissenschaft und Lehre. Forscher*innen arbeiten zunehmend mit Partnerinstitutionen aus Wissenschaft, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen, um Probleme umfassend zu analysieren und neue Lösungen zu erarbeiten. Dies spiegelt sich auch in der universitären Lehre wider. Praxisbezogene Lehrangebote fördern Problemlösungskompetenzen bei den Studierenden und erlauben der Praxis, von der Innovation und dem Wissen der Lehre zu profitieren. So gibt es Angebote zum Service Learning, das fachliches Lernen und gesellschaftliches Engagement verbindet, sowie UNESCO Lehrstühle, die eine praxisbezogene Lehre fördern.
UNESCO-Lehrstühle zeichnen sich durch herausragende Forschung und Lehre in den Arbeitsgebieten der UNESCO aus. Zu den Prinzipien ihrer Arbeit gehören die internationale Vernetzung, insbesondere im Nord-Süd- und Nord-Süd-Süd-Bereich, sowie die Förderung des interkulturellen Dialogs. UNESCO-Lehrstühle tragen zu einer weltweit ausgewogeneren Schaffung, Verbreitung und Anwendung von Wissen bei, um nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die UNESCO-Lehrstühle in Deutschland verpflichten sich in besonderem Maße den Zielen der UNESCO und den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit den SDGs im Kern.
An der Universität Bonn ist ein UNESCO-Lehrstuhl angesiedelt, der UNESCO-Lehrstuhl für Mensch-Wasser Systeme (Prof. Dr. Mariele Evers). Dieser wurde von der Universität Bonn gemeinsam mit der UNESCO eingerichtet und ist Teil der 14 UNESCO-Lehrstühle in Deutschland, die zur Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda beitragen.
Über die Stiftungsprofessuren an der Universität Bonn werden die Einrichtung neuer Lehrstühle und die Exploration neuer, oft praxisnaher Themengebiete, ermöglicht – wie z.B. die Stiftungsprofessur „Global Health – Social and Cultural Aspects“ (Dr. Hans Riegel-Stiftung), die Stiftungsprofessur für Öffentliches Recht (Gottfried Meulenberg Stiftung), die Stiftungsprofessur für Wissenschaftsforschung und Politik (Stiftung Mercator), die Stiftungsprofessur für Christliche Archäologie (teilfinanziert durch die Gielen-Leyendecker-Stiftung), die Stiftungsprofessur für Zellbiologie und Molekulare Wirkstoffforschung (Engelhard Arzneimittel) oder die Stiftungsprofessur Digital Material Appearance (X-Rite Europe GmbH). Durch diese Stiftungsprofessuren, die durch Unternehmen, öffentliche Mittelgeber, wie z.B. Bundesministerien sowie durch Vereine, Stiftungen und Institutionen finanziell gefördert werden, wird die Kooperation zwischen universitärer Forschung und externen Partnern weiter gefestigt.
Service Learning ist eine Lehr- und Lernform, die fachliches Lernen im gesellschaftlichen Unterricht mit gesellschaftlichem Engagement verbindet. Sie orientiert sich in der Praxiskomponente an realem gesellschaftlichem Bedarf und erlaubt es Studierenden, das Gelernte aus dem Hörsaal in der Praxis anzuwenden und bei Partnern aus dem gemeinnützigen Sektor vertiefend weiter zu lernen. Die Koordinationsstelle Service Learning an der Universität Bonn zielt darauf ab, das zivilgesellschaftliche Engagement von Studierenden und Lehrenden zu fördern, die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Partnerorganisationen zu unterstützen und die gesellschaftliche Verantwortung der Universität Bonn zu stärken.